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  • Blick auf Andechs, © 2023 Alexander Herrmann

Boves (Piemont)

Wie es begann ...

Im Sommer 2013 besuchte eine kleine Delegation der piemontesischen Stadt Boves die Gemeinde Schondorf.

Der Grund für diesen unerwarteten Besuch von Vertretern der katholischen Kirchengemeinde mit ihrem Pfarrer Don Bruno war eine Grabstelle auf dem Schondorfer Gemeindefriedhof. Es handelt sich um das Grab eines ehemaligen SS-Offiziers, der die Verantwortung für ein Massaker an der Zivilbevölkerung von Boves trägt. Nach dem Krieg lebte dieser Offizier unter anderem in Frankreich, wo er 1973 von Angehörigen der französischen Résistance umgebracht wurde. Seine sterblichen Überreste wurden 1974 in einem Familiengrab auf dem Schondorfer Friedhof bestattet.

Die Bewohner von Boves bemühen sich seit langem intensiv um eine Aufarbeitung ihrer Geschichte und so lag es für sie auf der Hand, auch einmal das Grab desjenigen zu sehen, der damals, am 19. September 1943, das Kommando führte (siehe Geschichte). Im Jahr nach dem Besuch der Italiener in Schondorf folgte ein Gegenbesuch der Schondorfer Pfarrgemeinde in Boves. Schnell wurde hierbei deutlich, dass von italienischer wie von deutscher Seite ein ehrlicher Versuch der Versöhnung angestrebt wird. Bei seiner Rückkehr nach Schondorf hatte Kirchenpfleger Marius Langer einen Brief des Bürgermeisters von Boves, Maurizio Paoletti, an den Schondorfer Bürgermeister Alexander Herrmann im Gepäck. Paoletti musste nicht lange auf eine Antwort warten und erhielt eine herzliche Einladung nach Schondorf.

Nach den Kirchengemeinden wollten nun auch die politischen Gemeinden ins Gespräch kommen. Bei seinem Besuch im April 2015 zusammen mit Vertretern des Gemeinderates von Boves lud Paoletti den Schondorfer Bürgermeister und die Gemeinderäte zu den Feierlichkeiten anlässlich des Jahrestages des Massakers nach Italien ein. Im Rahmen der Gedenkfeiern wurde auch das Freundschaftsabkommen zwischen den beiden Kommunen unterzeichnet.

Weitere gegenseitige Besuche von Delegationen der Kirchengemeinden, der politischen Gemeinden und sogar der Chöre folgten. 2019 besuchte eine Delegation, bestehend aus Vertretern aller im Gemeinderat vertretenen Fraktionen, erneut Boves. Der Jugendförderverein hat diese Delegation mit fünf Jugendlichen begleitet.

Der neue Gemeinderat hat in einer seiner ersten Sitzungen den Weg dafür geebnet, dass die Freundschaft zwischen den beiden Kommunen auf die Ebene einer echten Städtepartnerschaft gehoben werden kann.

Als Referentin für diese Städtpartnerschaft wurde Gemeinderätin Helga Gall eingesetzt, die bisher bei allen Delegationsbesuchen in Boves dabei war.

Geschichte

Am 8. September 1943 kapitulierte das faschistische Italien und schied damit aus dem Krieg aus. Die italienischen Truppen standen zu dieser Zeit vor allem in Frankreich und wurden nun rückgeführt. Die SS erwartete die Truppentransporte unweit der französisch-italienischen Grenze in der Stadt Cuneo, um die eintreffenden Italiener zu entwaffnen und zu internieren. Ein Teil der italienischen Soldaten entkam der Internierung und zog sich in die nahen Bergregionen rund um Boves zurück. Einige Tage später wurden zwei Angehörige des Bataillons der Leibstandarte SS Adolf Hitler, das in Cuneo zur Entwaffnung der Truppen eingesetzt war, auf einer Patrouille von den Partisanen gefangen genommen. Nach einem erfolglosen Befreiungsversuch, bei dem ein deutscher Soldat getötet wurde, übernahm der Bataillonskommandeur, SS-Obersturmbannführer Joachim Peiper, das Kommando vor Ort. Der Pfarrer von Boves und ein Geschäftsmann wurden von Peiper zu Verhandlungen mit den Partisanen gezwungen, um die Auslieferung der beiden Gefangenen zu erreichen. Peiper versprach, im Falle eines Erfolges auf Vergeltungsmaßnahmen zu verzichten. Die beiden Unterhändler konnten daraufhin die Freilassung der beiden deutschen Soldaten erreichen. Gleichwohl wurden nach der Freigabe der beiden Gefangenen am 19. September 1943 auf Peipers Befehl in Boves über 20 Zivilisten ermordet, unter ihnen auch die beiden Unterhändler. Die Mehrzahl waren Alte, Frauen und Kranke. Anschließend legten die Soldaten in Boves und in Nachbargemeinden Feuer. Etwa 350 Häuser brannten ab, der Feuerwehr wurde das Löschen verboten.

Freundschaftsabkommen zwischen der Stadt Boves und der Gemeinde Schondorf am Ammersee

Freundschaftsabkommen zwischen der Stadt Boves und der Gemeinde Schondorf am Ammersee

Im Folgenden finden Sie die Übersetzung des Freundschaftsvertrages, den die Gemeinde Boves mit unserer Gemeinde am 19. September 2015 geschlossen hat:

Die Gemeinden Boves und Schondorf am Ammersee schließen dieses Freundschaftsabkommen in Übereinstimmung der Anerkennung der internationalen Menschenrechte, der Ablehnung des Krieges als Mittel zur Lösung internationaler Konflikte sowie der Ablehnung faschistischer und nationalsozialistischer Ideologien.
Dieses Abkommen soll die Zusammenarbeit zwischen den beiden Völkern fördern und erkennt den Frieden als Grundrecht der Menschen und der Völker an.

Die Gemeinden setzen sich für die Förderung eines gegenseitigen kulturellen Austausches ein, um eine Kultur des Respekts zwischen ihren Völkern zu mehren.

Dieses Abkommen ist der erste Schritt auf dem gemeinsamen Weg des Friedens und der Versöhnung. Es soll den Grundstock liefern für weitere Initiativen, die die Verbindung zwischen der Bevölkerung der beiden Kommunen festigen, damit aus der Tragödie des 19. Septembers die Chance einer gemeinsamen Zukunft erwachsen kann.

Die Stadt Boves und die Gemeinde Schondorf am Ammersee, vertreten durch die Bürgermeister Maurizio Paoletti und Alexander Herrmann, schließen mit ihrer Unterschrift dieses Freundschaftsabkommen.

Boves, 20 September 2015